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Lehrer als Opfer?

Ein Standpunkt von Frau Mag. Dr. Regine Stangl

 gf Obfrau FLV Kärnten

BHS Lehrerin (HTL Villach)

 

Der Fall des HTL Professors an der HTL Ottakring, dessen Schüler offensichtlich jeglichen Respekt vor ihm verloren hatten – aus welchen Gründen wird eine von der Bildungsdirektion eingesetzte Kommission herausfinden – ist nun der Aufhänger für eine Diskussion über Mobbing und Gewalt an Schulen, aber auch über Disziplin und Maßnahmen für Konfliktlösung geworden. Die Tatsache, dass die veröffentlichten Videos gegen datenschutzrechtliche Richtlinien verstoßen, da sie ohne Einwilligung der Betroffenen ins Netz gestellt wurden, hat noch eine strafrechtliche Relevanz.

 

Wie weit ist es gekommen an unseren Schulen? Wenn ein Lehrer sich nur mehr wehren kann, indem er einen Schüler bespuckt, was selbstverständlich ein No Go ist, dann sind wir an einem Punkt angelangt, der zeigt, dass jahrzehntelange sozialistisch geprägte Bildungspolitik, in der man ausschließlich die Schüler gestützt hat, nicht jedoch die Lehrer, ohne klare Richtlinien und Maßnahmenkataloge geschweige denn Supportpersonal zur Verfügung zu stellen, zu Situationen geführt hat, wie dieser. Und ich wage zu behaupten, dass ähnlich ohnmächtige Lehrer an Österreichs Schulen in einem größeren Ausmaß vorhanden sind, als man vermuten würde. Es sind sehr wahrscheinlich mehr Lehrer von Mobbing durch Direktoren, Eltern, Kollegen und Schüler betroffen als zugegeben wird. Denn Schwächen darf man als Lehrer keine zeigen: weder vor dem Chef, noch den Kollegen, den Eltern noch den Schülern. Und so „wursteln“ viele frustriert weiter, bis Beschwerden von Eltern- oder Schülern kommen – und dann ist es bis zum Mobbing nicht mehr weit.

 

Gott sei Dank wird in vielen Klassen nicht gefilmt, denn der Lehreralltag ist von Herausforderungen geprägt, und es gibt viele Situationen jeden Tag, die richtiges, besonnenes, effizientes Handeln im Sinne aller Beteiligten erfordern. Schüler müssen vor aggressiven Mitschülern geschützt werden, aber vor allem muss eine ruhige, angenehme Lernatmosphäre geschaffen werden, wo jeder die Chance hat, Lernfortschritte zu erzielen. Genau dieses zielorientierte Lernen ist aufgrund vieler Störfaktoren oft nicht möglich. Der Druck auf Lehrer gute Leistungen mit ihren Schülern zu erreichen, auch wenn diese dazu nicht bereit oder intellektuell nicht in der Lage sind, ist von Behördenseite und Elternseite groß. Ein Lehrer, dem es an Resilienz mangelt, gerät oft in einen unüberwindlichen, krank machenden Teufelskreis, aus dem er häufig ohne Hilfe nicht herauskommt. Ich denke, dass viele Burnout-Fälle auf disziplinären Schwierigkeiten beruhen, die man nicht zugeben kann um sein Gesicht nicht zu verlieren. Genau das ist allerdings das Problem. Die Aufgabe der Schulaufsicht wäre es meines Verständnisses nach eigentlich gewesen, die Rolle des Coaches auszuüben, bzw. Hilfestellungen zu geben. So wurde dieses Amt aber offensichtlich nie gelebt.

 

Es zu erreichen, dass die Schüler ihrem Gegenüber Respekt zollen ist eine Herausforderung für die Lehrperson. Den nötigen Respekt zu bekommen, muss sich die Lehrkraft ebenfalls selbst erarbeiten. Es gilt hier die Devise: die Schüler müssen merken, dass man sie mag und respektiert in ihrer Individualität (auch wenn ihr Benehmen die Lehrkraft oft verwundert, stört – ja manchmal empört).

 

Vielleicht liegt nun die Chance in der Schulautonomie. Minister Fassmann hat Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen an Schulen eingeleitet. Die FPÖ hat Ombudsstellen für Schüler und Lehrer reklamiert, die es auch geben wird. Tatsache ist, dass man auftretende Probleme rechtzeitig in Angriff nehmen muss, um Eskalationen zu verhindern. An den Schulstandorten selbst müssen Konzepte etabliert werden, welche das Projekt Schule als Erfolg der Lehrer, Schüler und der Eltern – also der gesamten Schulgemeinschaft sehen. Jeder muss sich verantwortlich fühlen und seinen Beitrag für ein gedeihliches Miteinander leisten. Dafür muss es Regeln und Konsequenzen bei Nichteinhaltung geben – für alle Beteiligten.